Johannes Anders
Musik - Journalist

Alles über Jazz im Magazin "Jazz 'n' More"

Ein Quereinsteiger macht Dampf: Der ehemalige Modefotograf Peewee Windmüller zeigt beim Schweizer Musikmagazin "Jazz ''n'' More", was trotz eines kleinen Marktes möglich ist.

 Von Christoph Merki

Der Mann ist kein Sauertopf. "Wir haben die Zahl der Abonnenten verdoppelt", unterstreicht Windmüller, und ein gewisser Stolz klingt in seiner Stimme mit. Vor zwei Jahren stand "Jazz ''n'' More" nach verschiedenen Turbulenzen knapp vor dem Aus. Peewee Windmüller aber, der das Magazin nun gemeinsam mit seiner Frau Therese übernommen hat, gelang es, den Bruchlandungs-Kandidaten in den Steigflug zu bringen: "Jazz ''n'' More" erscheint derzeit jeden zweiten Monat in einer Auflage von 4000 Exemplaren.

 Erstmals ein kleiner Profit

 "Passion und Vision führen zum Erfolg", heisst es in einer Werbebroschüre fürs Heft. Mindestens die Passion kann man Windmüller, der 17 Jahre lang als Modefotograf gearbeitet hatte, bevor er die Welt des schönen Scheins mit derjenigen der schönen Töne vertauschte, nicht absprechen - ein Begeisterter, dem die Worte nur so aus dem Munde sprudeln. Windmüller erzählt, wie er nach Montreux ans Jazz-Festival "fräst", um Kontakte zu knüpfen, 70 000 Autokilometer "von Pontius bis Pilatus" habe er letztes Jahr gemacht; er akquiriert die Inserate und fotografiert; wirbt an Jazzschulen und organisiert einen Teil der redaktionellen Beiträge; macht das Marketing und das Controlling.

Wozu das alles? Wieso legt sich der 46-Jährige mit dem schick nach hinten gekämmten Haar so ins Zeug für eine Musik, mit der er zuvor, wie er selber erklärt, "nichts am Hut" hatte? Er habe genug gehabt vom unsteten Leben als Modefotograf, erzählt er. Zudem, wer habe denn im Leben schon die Möglichkeit, eine eigene Zeitschrift, "und dann noch auf so einem schönen Gebiet", zu machen?

Im Frühjahr war Windmüller daran beteiligt, in Zürich eine Spielstätte für Jung-Jazzer aufzuziehen. Das hat ihm auch unter den Musikern viel Kredit eingebracht, Glaubwürdigkeit. Man nimmts dem früheren Emerson-, Lake-&-Palmer-Hörer ab, dass er den Jazz für sich entdeckt hat als ein "unglaublich gutes kulturelles Produkt".

Ein profunder Jazzkenner ist Windmüller natürlich in so kurzer Zeit noch nicht geworden. Doch der Pfiffikus mit Sinn fürs Praktische bewegt die Hebel. Mittlerweile ist jedem klar, dass es "Jazz ''n'' More" - ursprünglich 1996 unter der Ägide des Zürcher Werbers und Pianisten Robi Weber gestartet - nicht mehr gäbe ohne den quirligen Windmüller. 1999 schrieb das Heft tiefrote Zahlen. Aus 500 Abos sind inzwischen aber 1200 geworden, 600 Exemplare werden am Kiosk abgesetzt. 12 000 Leser soll jede Ausgabe haben, erstmals hat das Heft kürzlich einen kleinen Profit abgeworfen.

 Auch Clubmusik und Trendiges

In den Anfängen kam das Magazin, damals noch unter dem schlichten Titel "Jazz", zuweilen fast als Lachnummer daher; Befragungen unter der kleinen Leserschaft etwa zur Frage, welches denn in der Schweiz die besten Jazzmusiker seien, führten zu äusserst erheiternden Resultaten. In der Zwischenzeit hat "Jazz ''n'' More" aber auch redaktionell massiv an Substanz gewonnen. Als Chefredaktor firmiert - seit den Anfängen und jetzt nach einem kurzen Unterbruch wieder - der 70-jährige Kurt S. Weil. Aus seiner Zeit als Direktor des Labels GRP Europa hat er ein weit verzweigtes Beziehungsnetz mitgenommen, er bringt internationales Flair ins Blatt: Schon in der ersten Nummer waren Glückwünsche von Illustren des Jazz, Milt Jackson oder Herbie Hancock, zu finden. Von Weil stammt auch das bündige redaktionelle Konzept des heute zwischen 48 und 60 Seiten umfassenden Heftes: News und CD-Kritiken, Porträts und Interviews: In der Novemberausgabe 2001 etwa mit dem New Yorker Trompeter Dave Douglas und dem Oudspieler Dhafer Youssef, der Schweizer Sängerin Susanne Abbuehl und dem welschen Saxofonisten Maurice Magnoni; die helvetische Szene wird so ausführlich behandelt, dass hier kaum ein nennenswertes Defizit auszumachen ist. Angrenzende Gebiete wie Blues, Clubmusik, Dancebeats und Trends finden ihren Niederschlag, jüngere Schreiber wie Marcel Benedikt oder Rainer Fröhlich sorgen für den Pulsschlag der Zeit.

Die gewichtigste Stimme des Magazins ist Johannes Anders, langjähriger Jazz-Kritiker beim TA. Der Qualitätssprung des Magazins geht nicht zuletzt auch auf ihn zurück. Gemeinsam mit Weil verfasst er den Löwenanteil der Beiträge. Allerdings würde man sich im Heft manchmal noch den einen oder andern Artikel wünschen, der über die Aktualität hinaus auch Grundsätzliches reflektiert. Schade auch, dass die auf Glanzpapier gedruckten Beiträge teils in so kleiner Schrift daherkommen, dass sie fast mit Robert Walsers Mikrogrammen konkurrieren.Für die unmittelbare Zukunft von "Jazz ''n'' More" möchte Windmüller zum einen neue Journalisten gewinnen, die für eine grössere Vielfalt sorgen. Vor allem aber will er das Fachmagazin über den Grossraum Zürich hinaus verankern. Das Potenzial ist durchaus vorhanden, etwa an den Jazzschulen, die es heute fast in allen grösseren Schweizer Städten gibt, mit ihren rund 5000 Schülern und Studenten. Windmüller strebt eine Verjüngung der Leserschaft an; in den letzten Monaten hätten gerade Abos in der Altersgruppe 20 bis 40 Jahre zugelegt. Auch Kurt S. Weil meint, die Leserschaft habe sich geändert: "Früher waren die Jazzbegeisterten tatsächlich eine Art Elite. Der Doktor Sowieso, der Rechtsanwalt Anderswie."

 Grenzen des Wachstums

Geht der Steigflug weiter? Auf alle Fälle ist sich Windmüller im Klaren über die Grenzen des Wachstums; als kommenden grossen Medien- Zampano sieht er sich nicht. Das deutsche Magazin "Jazzthing" z. B. verkauft auf seinem grossen Markt gerade mal 10 000 Exemplare, 5000 sind es bei "Jazzman" in Frankreich. "Wir können in der Schweiz auf maximal 2500 bis 3000 Abos hoffen", weiss Windmüller.


© Zürcher Tages-Anzeiger 27.12.2001



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