Johannes Anders
Musik - Journalist

CO STREIFF

Text und Fotos Johannes Anders 


Co StreiffVor rund 15 Jahren machte sie erstmals auf der Zürcher Jazzszene von sich reden, die 1959 geborene Saxophonistin Co Streiff. Damit begann eine beispiellos vielseitige, engagierte und ereignisreiche schweizerische Jazzmusikerinnen-Laufbahn, deren vorläufige Höhepunkte zwei wichtige Zürcher Musikpreise darstellten: Ein 1991 im Rahmen der Kulturellen Auszeichnungen der Stadt Zürich zugesprochenes Werkjahr und der Musikpreis 1996 des Kantons Zürich. Die unkonventionelle, sensible wie höchst expressive Musikerin liebt das Rauhe, Ungeschliffene, Kantige, das Vexierspiel zwischen Chaos und Ordnung, aber auch die Auseinandersetzung mit ethnichen Musikstilen. Mit ihrem Sextett "Tobende Ordnung" gastierte sie soeben beim Jazzfestival Willisau und mit der Kairoer "The Nile Troup", ihrem jüngsten Projekt, versucht sie gleichberechtigte Brückenschläge zwischen jazzbezogener Improvisation und arabischer Musik. Gasthörer bei unserem Blindfoldtest war Bandkollege und Saxophonist Tomi Meier.  


CHARLIE PARKER:

TINY'S TEMPO (u.a. mit Clyde Hart, p, Tiny Grimes, g. Savoy-LP).

Streiff: Ich bin nicht ganz sicher, höre diese Musik zu selten, klingt aber, vor allem wegen dem Ton, nach Charlie Parker - sicher eine frühe Aufnahme.


LEE KONITZ QUARTET:

HI BECK ("Jazz At Storyville", rec. 1954. L. Konitz, as, Ronnie Ball, p, Percy Heath, b, Al Levitt, dr. Storyville-25cm-LP).

Streiff: Klingt nach Westcoast, sanft, melodisch, kenne ich nicht.


ALBERT AYLER QUINTET:

BELLS ("Albert Ayler: Lörrach / Paris 1966". Albert Ayler, ts, Don Ayler, tp, Michel Sampson, viol, William Folwell, b, Beaver Harris, dr. hat MUSICS-2LP).

Co StreiffStreiff:  Hymnisch, volksmusikalisch, trivial - das macht eigentlich Ayler. Vom  Sound her eine wahnsinnige Sache und auch, wenn er frei spielt. Aber ich höre ihn  nicht wirklich gern, und auch das Themenmaterial, manchmal fast «chilbi-mässig», spricht mich nicht so an, obwohl wir ja auch manchmal so einfache Sachen machen. Meier: Mich hat er extrem fasziniert - und wahnsinnig der Geiger!.


PEDRO ITURALDE QUINTET:

EL ZORONGO GITANO ("Jazz Flamenco Pedro Ituralde", rec. 1967. P. Ituralde, ts,     ss, Paul Grassl, p, Eric Peter, b, Peer Wyboris, dr, Paco de Antequera (Paco de  Lucia), g. Blue Note-CD).

Streiff: Ist schön zusammengebaut, erinnert mich etwas an unsere Band  «Arkadash». Meier: ...und mich etwas an Coltranes «Olé», ist wirklich noch schön, könnte Paco de Lucia sein - und der Erich Peter ist auch dabei (?), war ein Superbassist.


ERIC DOLPHY:

ABSTRACTION / GUNTER SCHULLER ("Vintage Dolphy", rec. 1963. E. Dolphy, sax, Richard Davis, Barre Phillips, b, Jim Hall, g, Sticks Evans, dr, & String Quartet. ENJA-LP).

Co StreiffStreiff: Das ist Eric Dolphy, hört man vom ersten Ton an; wahnsinnig, was er da spielt, ganz schön!


JAZZ MEETS THE WORLD: 

BUANUARA ("Noon in Tunesia", rec. 1967. George Gruntz, p, Leitg., Sahib Shihab, ss, fl, Jean-Luc Ponty, viol, Eberhard Weber, b, Daniel Humair, dr, + Beduinen-Musiker-Gruppe. MPS-2LP).   

Streiff: Sehr schön, finde ich ganz spannend, habe aber keine Ahnung, wer das sein könnte. Wahnsinnig die Überlappungen, die Fusion der beiden Gruppen, die arabischen Musiker …! (Nach  Bekanntgabe:) Nein, das ist nicht wahr, der Gruntz!, das hätte ich nie gedacht!


JOHN COLTRANE / RASHIED ALI:

JUPITER / VARIATION ("The Mastery Of John Coltrane / Vol.III", rec. 1967. John  Coltrane, ts, Rashied Ali, dr. Impulse-LP). 

Meier: Coltrane mit Rashied Ali!. Streiff: Ich finds schaurig schön, eine starke, Musik, die für mich unerreichbar bleibt. Habe jahrelang deshalb kein Stück von ihm spielen wollen, geht mir so nahe, dass ich im Augenblick nicht mehr dazu sagen kann.


Co StreiffJAN GARBAREK / EBERHARD WEBER:

HASTA SIEMPRE ("Rheinknie Session Basel 1990. DRS-Live-Aufnahme).

Streiff: Etwas vom Ton kommt mir vertraut vor, kann es aber (noch) nicht anbinden... Meier: Erinnert mich an Haden, ist das nicht der Gato Barbieri? Streiff: Irgendwie kitschig. (Nach Bekanntgabe:) Der Garbarek, das hatte ich vermutet. Früher hat er schöne Sachen gemacht, zum Beispiel mit der George Russell Band. 


CO STREIFF / MARILYN MAZUR:

FREIE DUO-IMPROVISATION ("Taktlos Festival 1988", Rote Fabrik Zürich. Co Streiff, sax, M. Mazur, perc. DRS-Live-Aufnahme).

Co Streiff(Beide lachen,  lachen, lachen..., meinen, das Sax genau und gut zu kennen, aber die Umgebung mit den Gongs, das sei wiederum «strange».) Meier: Das könnte der «Hausi» sein... Streiff: Nein, habe aber das Gefühl, ich weiss, wer's ist, komme aber nicht drauf. (Nach einer Weile:) Bin ich das etwa? Wenn nicht, ist mir das aber so vertraut, dass ich das hätte sein können, mit den Fingern, dem Mund, dem Kopf... (Nach Bekanntgabe:) Ist doch nicht wahr! War ein schreckliches Konzert, grauenhaft; ich hatte das Gefühl, wir hatten uns damals nichts zu sagen, habe  schandbar gelitten. Sie hat nie mit meiner Energie mitgespielt, das zermürbt einen extrem. Jetzt find ich's nicht mehr ganz so schlimm.


ANTHONY BRAXTON:

ALL THE THINGS YOU ARE ("Seven Compositions (Trio) 1989", rec. 1989.  A. Braxton, sax, cl, fl, Adelhard Roidinger, b, Tony Oxley, dr. hat ART-CD).

Streiff: Ich find's schön; mir gefällt's, wenn jemand unorthodox Standards spielt. Mit der üblichen Regelmässigkeit, mit der Standards gespielt werden, kann ich nicht soviel anfangen. Ich denke da an Anthony Braxton. Hab ihn mit Standards mal in der Roten Fabrik gehört, fand ich noch spannend. Hier hat die Sache aber viel mehr Pep!


JOE LOVANO QUARTET:

BODY AND SOUL ("From The Soul", rec. 1991. J. Lovano, sax, Michel Petrucciani, p, Dave Holland, b, Ed Blackwell, dr. Blue Note-CD).

Streiff: (Nach Bekanntgabe:) Den kenne ich überhaupt nicht, habe ihn nie aktiv gehört. Erinnert mich schaurig an alte Saxophonisten. Meier: Wird ja in letzter Zeit extrem hochgejubelt …


HERBIE HANCOCK / WAYNE SHORTER:

AUNG SAN SUU KYI (" 1 + 1", rec. 1997. W. Shorter, ss, H. Hancock, p. Verve-  CD).

Co StreiffStreiff: Den Saxophonisten erkenne ich hier nicht. Der Sound ist schön, aber die Musik gefällt mir nicht. (Nach Bekanntgabe:) Ehrlich?, das hätte ich nicht vermutet. Meier: Der spielt jetzt aber total anders, als ich ihn kenne, aber wunderschöner Klang!


ORNETTE COLEMAN + JOACHIM KÜHN:

FAXING ("Colours", rec. 1996. Ornette Coleman, as [tp, viol], Joachim Kühn, p. Harmolodic-CD).

Streiff: Tönt wie Coleman. Klingt vom Sound und der Phrasierung her wie früher; er hat immer etwas Hemdsärmeliges, wenn er spielt, das finde ich schön. Aber das Klavier ist total komisch, klingt wieder so «klassisch»...! Meier: Ist  aber schön, gefällt mir sehr!


PAUL BLEY / EVAN PARKER / BARRE PHILLIPS:

SPRUNG ("Time Will Tell", rec. 1994. Paul Bley, p, Evan Parker, ts, ss, Barre Phillips, b. ECM-CD).

Streiff: Ich habe  dieses Wellenartige, dieses An- und Abschwellen, Auf und Ab nicht so gem. Diese vielen Töne, die hier nicht so unbedingt nötig wirken wie etwa bei Ayler, Shepp, Braxton, sind ein Zeichen von Virtuosität, nicht von Expressivität!

                        

 

© JAZZ - Das Schweizer Jazz-Magazin, Nr. 7, September/Oktober 1997 "Blindfoldtest"
Fotos: © Johannes Anders"



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