Johannes Anders
Musik - Journalist

Y V E S   T H E I L E R

TEXT UND FOTOS: JOHANNES ANDERS

Yves TheilerYves Theiler, 1987 in Zürich geboren, begann sein Musikstudium mit 17 Jahren an der Zürcher Hochschule der Künste bei Chris Wiesendanger. An der HTM Leipzig bei Richie Beirach und bei Nat Su und Christoph Baumann an der HLSU Luzern absolvierte er seine beiden Master in Pädagogik und Performance. Während seiner Studienzeit besuchte er diverse Masterclass-Workshops bei bekannten Musikern wie Jim Black u.a.. Er war auf Tour mit dem Alexander von Schlippenbach Orchester und an Aufführungen von und mit Sylvie Courvoisier beteiligt. Yves spielt(e) mit zahlreichen Musikern der internationalen Jazzszene zusammen. Er ist Mitglied der WIM Zürich und und organisierte das Independent Festival M10 im Kino Razzia in Zürich. Seine aktuellen Bands als Leader und Co-Leader sind das Yves Theiler Trio, das Duo Omri Ziegele & Yves Theiler und das Trio Things To Sounds. Weiter ist Yves Theiler zur Zeit als engagierter Sideman tätig in Omri Ziegele’s Where’s Africa, Rätus Flisch Compo6, Matthias Tschopp Quartet, Mario Schenker Quartet, dem Luzerner Ensemble Zwerg Rosa und dem Duo The Zan mit Valeria Zangger. Ebenfalls war Yves Theiler immer wieder als Komponist und Arrangeur tätig wie z.B. an der Jazzwerkstatt Bern, für das Zürcher Ensemble Mo-No “Musik zum Lesen” mit Uraufführung an der Jazzwerkstatt Zürich, für das Gitarrenduo Pascal Piller & Michael Bohner und mit einer Wagnerbearbeitung für die Festspiele Zürich 2013 mit Yves Theiler & Rätus Flisch.

Sechs Piano - Reeds - Duos

Yves Theiler1.) STEVE LACY - MAL WALDRON: Bone - Lacy (“Lets call this“, rec.1981. Lacy, ss, Waldron, p.  2LP hatART).
2.) ARCHIE SHEPP - JASPER VAN’T HOF: In a decent way - van’t Hof (“the fifth of may“, rec.1987. Shepp, ts, van’t Hof, p. CD Leo Records).
3.) ORNETTE COLEMAN - JOACHIM KÜHN: Faxing - Coleman (”colors“, rec. 1996. Coleman, as, Kühn, p. CD Harmolodic/Universal).
4.) WAYNE SHORTER - HERBIE HANCOCK: Diana - Shorter (“1 + 1“, rec. 1997. Shorter, ss, Hancock, p. CD Verve).
5.) HEINZ SAUER - MICHAEL WOLLNY: Space cake - Wollny (“Melancholia“, rec. 2004. Sauer, ts, Wollny, p. CD ACT).
6.) AKI TAKASE - LOUIS SCLAVIS: Shower - Takase/Sclavis (“Yokohama“, rec. 2009. Takase, p, Sclavis, ss. CD Intakt).
YT: Den Saxophonisten in 1.) finde ich ziemlich schlimm, gefällt mir gar nicht… JA: … ist ein ganz berühmter… YT: … klingt etwas wie Archie Shepp. Zum Pianisten kann ich nicht viel sagen, kenne ihn auch nicht… JA: … hat aber einen ganz eigenen, eigentlich unverkennbaren Stil. YT: Aber die Spannung von Time und ein bisschen weg vom Time zwischen Pianist und Bläser ist unglaublich toll, obwohl es zwischendrin auch Löcher in der Spannung hat. 2.) ist sehr modal, bleibt lange auf der selben Stimmung, ziemlich kantiges Saxophon in Verhältnis zum Pianisten… JA: … sind auch zwei grundverschiedene Typen… YT: …habe ich rausgehört, haben zwei verschiedene Spannungen. Der Pianist hält sich schön zurück, schöne Begleitung. 3.) Dieser Pianist erinnert mich mit seinen Voicings zu Beginn stark an Matthew Shipp, toll, phantastisch gleichberechtigte Energie, sehr kraftvoll, gefällt mir sehr. Am Anfang hatte es etwas Afrikanisches, Pentatonisches - krasse Technik des Pianisten. Die CD muss ich haben. 4.) Das kommt mir unheimlich bekannt vor, habe ich viel gehört - dynamisch sehr schön aufeinandner abgestimmt, wechselt schnell von einer Stimmung in die andere, ist viel passiert in dieser kurzen Zeit, sehr grosse harmonische Flexibilität, könnte Wayne Shorter sein. 5.) Sehr linear, sehr schön, unglaublich virtuos, was der Pianist macht, klingt wie eine ganz neue Aufnahme, muss ich unbedingt haben. 6.) Auch der Saxer kommt mir sehr bekannt vor, klingt wie Jürg Wickihalder, der auch so unglaublich virtuos spielen kann. Sehr intensiv, aber sehr kurz, sodass man nicht viel sagen kann.

Yves TheilerWITOLD LUTOSŁAWSKI (1913-1994):
Concerto for Piano and Orchestra, 2. Satz, Presto - Attacca (”Lutosławski”, rec. 1989. Krystian Zimerman, *1956, p, BBC Symphony Orchestra, W. Lutosławski. CD DG).
YT: Es wird technisch immer verrückter… Klingt wie frühes 2. Jahrhundert, könnte aber auch später sein, gefällt mir vom Pianistischen her am besten von allem bisher Gehörtem, ist unglaublich schwer zu spielen, hat auch tonale Sachen drin, ist ziemlich viel passiert in diesem Ausschnitt, habe immer darauf gewartet, dass eine pseudoromantische Stimmung kommt, aber dann kommt sie doch nicht… 

IRÈNE SCHWEIZER (*1941):
sofort - Schweizer (“Hohe Ufer Konzerte“ Hannover, rec. 1976. Schweizer, p. LP Hohe Ufer Konzerte).
JA: … ist natürlich bei so viel Geräuschhaftem etwas schwierig, das Piano zu beurteilen, aber es gibt später Patterns auf den Tasten, wo es möglich sein könnte - ist übrigens von Deiner Favoritenliste… YT: … komme aber nicht drauf… JA: …ist die Irène… YT: … ja was, ist sicher eine ältere Aufnahme und überraschend, dass sie schon damals derartig präparierte Sachen gemacht hat.      

CRAIG TABORN (*1979):
Glossolalia - Taborn (“Avenging Angel“, rec. 2010. Taborn, p. CD ECM).
YT: Das klingt vom Sound her, als ob Keith Jarrett jetzt frei spielt - liegt wahrscheinlich an der Soundphilosophie des Labels, mit der manche Pianisten total anders klingen. … Hat mir aber sehr gut gefallen, ist irgendwie genau so dicht aber viel freier wie gewisse andere, die wir zuvor hörten, nicht nervös aber dicht, dann auch wieder strukturiert, fliesst unglaublich, sagt mir sehr zu, wer ists… Aha, ja ja! - ist von seiner neuen ECM-Platte, von der alle schwärmen, die ich aber nie ganz gehört habe - unfassbar, genial.     

MATTHEW SHIPP (*1960):
Whisdom Threw Time, David S. Ware (““The Trio Plays Ware“, rec. 2003. Shipp, p, William Parker, b, Guillermo E. Brown, dr. CD Splas[H] ).
YT: Das kann nur Matthew Shipp sein, klingt so eigen so anders, ist so schizophrene Musik, ich liebe das, höre das Zeug die ganze Zeit, ist so telepathische Musik. Was mich bei ihm am meisten fasziniert: Es ist frei, hat kein Time, hat aber trotzdem eins oder es hat mehrere gleichzeitig, es atmet, was unheimliche Spannung erzeugt.

Yves TheilerTHOMAS BÄCHLI (*1958):
Suite für Klavier in Skordatur, 7. Stimmung, 2003/04 - Edu Haubensack *1954 (“Edu Haubensack“, rec. 2008. Bächli, p. CD Grammont Portrait / Musiques Suisses).
YT: Was ist denn da mit der Stimmung los? JA: Das ist gewollt, ist Thomas Bächli, ein Zürcher in Berlin lebender Pianist, der auf Vierteltonkompositionen spezialisiert ist und hier Kompositionen in Skordatur, also in veränderter Stimmung, des Schweizer Komponisten Edu Haubensack spielt. YT: Den Namen des Pianisten habe ich noch nie gehört, da muss ich mich drum kümmern. Zuerst einmal ist überraschend, wenn man Musik hört, die nicht in temperierter Stimmung ist. Dann ist erstaunlich, dass zumindestens bei mir, die Musik zuerst einmal in den Hintergrund tritt und man damit beschäftigt ist, die klangliche Veränderung zu orten, denn klanglich ist das dermassen speziell… - es berührt mich aber emotional nicht so. 

JIMMY GIUFFRE 3 (1921-2008):
Carla - Bley (”Jimmy Giuffre 3, 1961”, rec. 1961. Giuffre, cl, Paul Bley, p, Steve Swallow, b, 2CD ECM - von Verve-LP “Thesis”).
YT: Der Pianist kommt mir sehr bekannt vor, sein Sound, sein Anschlag, habe ihn oft gehört, könnte Paul Bey sein. Unglaublich wie der Typ seiner Zeit voraus ist. Man hört diese Ausbrüche, die total ins Freie wollen, dann aber doch nicht kommen. Er hat etwas, was mich ähnlich wie Matthew Shipp total packt, hat auf eine gewisse Weise stilistisch viele Dinge gemacht, bleibt aber ästhetisch immer er selbst, ist einer meiner Favoriten.      

KHATIA BUNIATISHVILI (*1987):
Sonata in B minor, S 178, aus dem 4. Satz Prestissimo - Franz Liszt, 1811-1887 (“ Franz Liszt / Khatia Buniatishvili“, rec. 2010. Buniatishvili, p. CD Sony Classical).
YT: Unglaublich verschiedene Stimmungen, phantastische Pianistik, vor allem die grossen Akkorde, die so schnell verschoben werden, das ist wahnsinnig schwierig, faszinierend präzis gespielt, die ultimative Lockerheit, das hört man selten, krasses Niveau.   

STEVE KUHN (*1938):
Oceans In The Sky - Kuhn (“Remembering Tomorrow“, rec. 1995. Kuhn, p, David Finck, b, Joey Baron, dr. CD ECM).
YT: Sehr orchestrale Musik für ein Trio, toller Schlagzeuger, gefällt mir sehr, die linke Hand des Pianisten ist sehr speziell, mit durchgehenden Figuren, die repetitiv sind, mit ungewöhnlicher Aufteilung der Aufgaben, sehr spannende Ideen, beeindruckend,  vom Klang her wieder eine ECM-Platte?

Yves TheilerJOACHIM KÜHN (*1944):
India - Coltrane (“From Time To Time Free“, rec. 1988. Kühn, p, Daniel Humair, dr, J.-F. Jenny-Clark, b. CD CMP).
YT: Das ist der Beirach - was - nein? Beirach macht auch so virtuose, wiederholende Läufe und technischen Floskeln - diese stundenlangen Ausbrüche, das ist nichts gegenüber dem Liszt, stehe nicht so drauf, wer ist das? -

PIERRE-LAURENT AIMARD (*1957):
XII - La parole toute-puissante - Olivier Messiaen, 1908-1992 (“Messiaen - Vingt Regards”, rec. 1999. Aimard, p. 2CD Teldec).
YT: Sehr aggressiver Anschlag, wahrscheinlich gewollt, klingt wie aus dem Hades, aus der Unterwelt aufgestiegen, klingt ziemlich bösartig. Aber in der Aggression hat der Pianist trotzdem noch einen schönen Sound, klingt nicht bös schlecht – beindruckend, das Lautspielen ist nämlich sehr schwer, dass es nicht hart klingt.

HANS FEIGENWINTER (*1965):
Hang - Feigenwinter (“in“, rec. 1996. Feigenwinter, p, Lars Lindvall, flh, Bänz Oester, , Wolfgang Zwiauer, dr. CD Brambus).
YT: Hans Feigenwinter! - einer meiner absoluten Favoriten und Inspirationen - Sound, Phrasierung, Time, kompositorische Ideen - für mich das Grösste. Es gibt auch international wenige, die so kreativ sind wie Hans, phantastisch.    

YANNICK DÉLEZ (*1972):
Solar - M. Davis (“Boréales“, rec. 2010. Délez, p. CD Unit).
YT: Sehr virtuos, auch rhythmisch, und schön aufgenommen, wer ist der Tonmeister? JA: Boris Darley… YT: …scheint ein Geheimtipp zu sein.  

Yves TheilerJACKY TERRASSON (*1965):
Just A Blues - Terrasson (“Jacky Terrassson“, rec. 1994. Terrasson, p, Ugonna Okegwo, b, Leon Parker, dr. CD Blue Note).
YT: Dieses Time hat nur Terrasson! Unglaublicher Sound, Leon Parker am Schlagzeug, Okegwo am Bass. Die Spannung auf rhythmischer Ebene ist für mich hinreissend - und die Pausen sind so schön, erinnern mich manchmal an Ahmad Jamal, nur frecher, beim Standardspiel ist das was vom Wichtigsten, was der Jarrett leider nicht macht. JA: Ja gut, der hat wieder andere Qualitäten… YT:  … ja, ja, auf jeden Fall. Das letzte Mal habe ich ihn mit Portal bei einem jazznojazz-Festival gehört.

OSCAR PETERSON (1925-2007):
The Maidens Of Cadiz - Clément-Philbert-Léo Delibes (“Oscar Peterson Trio - Swiss Radio Days Jazz Series“ Vol. 30, rec. 1960 Zurich. Peterson, p, Ray Brown, b, Ed Thigpen, dr. CD TCB).
YT: Das ist Oscar Peterson, unglaublicher Swing, der swingt noch auf einem Double-double-Time-Tempo wie das kein anderer kann - ein für diese Zeit modern gestalteter Take, nicht so traditionell wie zum Beispiel bei seinen Schwarzwald-MPS-Aufnahmen, der Sound und Groove bei den grossen Akkorden - eine sehr interessante Aufnahme, phantastisch.  

HAMPTON HAWES (1928-1977):
Hamp’s Blues (“Hampton Hawes Trio“, rec. 1955. Hawes, p, Red Mitchell, b, Chuck Thompson, dr. CD OJC / Contemporary).
YT: (Nach den ersten Tönen): Hampton Hawes! - ist sein eigenes Stück, habe das alles mal transkribiert. Was toll ist, es sind gehörte Melodien, die man mitsingen kann wie bei Hans (Feigenwinter)... JA: … im Blues verwurzelt, soulgeladen, einer der eigenständigsten aber unterschätztesten Pianisten dieser Zeit.

Yves, herzlichen Dank für Deinen  Besuch.

© JAZZ 'N' MORE Nr. 3/2013, Mai/Juni 2013
Fotos © Johannes Anders

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