Johannes Anders
Musik - Journalist

CHRISTOPH GRAB

Von Johannes Anders

Christoph GrabDer 3O-jährige Zürcher Tenor-/Altsaxophonist Christoph Grab hat kürzlich bei den zwei ihm gewidmeten "Portrait"-Abenden im Zürcher Jazzrestaurant "Moods" mit verschiedenen Formationen erneut unterstrichen, über welche erstaunlichen Spiel- und Ausdrucksmittel er verfügt. Er gehört zu den vielversprechendsten jungen Schweizer Vertretern seines Instruments in den Spannungsfeldern zwischen Klassik, Mainstream, Jazz, Postbop, Rock und Avantgarde.


CHARLIE PARKER / DIZZY GILLESPIE:

SLIM'S JAM ("Bebops Heartbeat», rec. 1945. Charlie Parker, as, Dizzy Gillespie, tp, Slim Gaillard, voc, Jack Mc Vae, ts, Dodo Marmarosa, p, voc, Tiny Bam Brown, b, voc, Zutty Singleton, dr. Savoy/Vogue-CD).

CG: Das ist Parker, völlig klar! Typisch seine Art, Rhythmen zu spielen, hat eine ganz eigene Phrasierung, der Vater des modernen Saxophons!


JOHN COLTRANE:

I'M OLD FASHIONED ("Blue Train", rec. 1957. John Coltrane, ts, Lee Morgan, tp, Curtsi Fuller, tb, Kenny Drew, p, Paul Chambers, b, "Philly" Joe Jones, dr. Blue Note-CD).

CG: (Nach den ersten Tönen:) Coltrane  mit  "Old  fashioned, wunderbare Aufnahme, einer der wirklich Grössten überhaupt, hat das moderne Saxophonspiel nach Parker geprägt.


SONNY ROLLINS:

I'M OLD FASHIONED ("Internationales Jazz Festival Bern 1985". Sonny Rollins, ts, Mark Soskin, p, Victor Bailey, b. DRS2-Live-Sendung).

CG: Wieder "Old fashioned" - aber ein völlig anderes Arrangement. Hat einen starken Rollins-Einfluss, wenn er's nicht selber ist. Ja nein, ist nicht der Rollins, überhaupt nicht! Aber eben, es ist schwierig, - und ganz speziell, auch von der Rhythmik her, Calypso-artig, mit E-Gitarre... Vielleicht ein späterer Rollins mit seiner "Electric Band» - auch er einer der Grössten.


ERIC DOLPHY:

BODY AND SOUL («Candid Dolphy»), rec. 1960. Eric Dolphy, as, Roy Eldridge, tp, Jimmy Knepper, tb, Tommy Flanagan, p, Charles Mingus, b, Jo Jones, dr. Candid-CD).

CG: Da hat es Läufe, die total Dolphy-mässig sind, aber sehr Parker-beeinflusst. Wenn's Dolphy ist, dann in einer sehr frühen Aufnahme. - Ja, es ist tatsächlich Dolphy! Mit unglaublichem Druck gespielt, mit einer Frische... - ein Jammer, dass er so früh gestorben ist.


TONY COE / TONY OXLEY / CHRIS LAURENCE:

BODY AND SOUL ("Nutty", rec. 1983 Jazz Festival Willisau 1983. Tony Coe, cl, ss, ts, Tony Oxles, dr, Chris Laurence, b. hat Art-CD).

CG: Nochmals "Body and Soul", es ist nicht Benny Wallace, aber einer, der irgendwie das Dolphy-Ding auf dem Tenor macht - die grossen Intervall-Sprünge, das ganze Range vom Saxophon ausspielen ... Schön, mir gefällts extrem, total heiss, wie er immer im Tune bleibt, aber sehr frei darüber spielt. Wer ist denn das? Was, das ist Tony Coe? Wahnsinn, Wahnsinn! Das ist nicht einfach frei spielen, sondern hat viel Boden und Tradition drin!


CHARLES LLOYD:

HOW CAN I TELL YOU ("Canto", rec. 1996. Charles Lloyd, ts, tibetan oboe, Bobo Stenson, p, Anders Jormin, b, Billy Hart, dr. ECM-CD).

CG: (Nach den ersten Tönen:) Starker Coltrane-Einfluss, ich würde sagen, das ist der Charlie Lloyd - ein grosser Held von mir, eine spezielle Aufnahme - grausam geil...!. Er hat schon viel Eigenes, hat das Erzählerische wie der Coe - heiss!


DEXTER GORDON QUARTET:

SO WHAT ("stable mable", rec. 1975. Dexter Gordon, ts, ss, Horace Parlan, p, Niels-Henning-Ørsted Pedersen, b, Tony Onzalaco, dr. Steeplechase-CD).

CG: "So what", Dexter-Einfluss. Ist er's? Eigentlich auch untypisch für ihn, wohl eine spätere Aufnahme. Schön, schön! Ist ein starker Melodiker, das grosse Vorbild von Coltrane. Interessant, gerade dieses Stück von ihm zu hören, sind ja die gleichen  Changes wie Coltranes "Impressions".


JIMMY GIUFFRE 3:

WHIRR ("Emphasis, Stuttgart 1961". Jimmy Giuffre, cl, Paul Bey, p, Steve Swallow, b. hat Art-CD).

CG: Sicher eine europäische Band mit klassischen Einflüssen. Schwierig - ich kenne nicht so viele Klarinettisten; könnte der Sciavis oder John Carter oder aber Tony Coe sein. (Nach Bekanntgabe des Aufnahmejahres:). Dann ists Jimmy Giuffre …! Er war damals der Einzige, der solche Sachen gemacht hat, wunderschön!


ANTHONY BRAXTON:

COMPOSITION 72 A ("Anthony Braxton + Brett Larner - 11 Compositions [Duo] 1995", rec. 1995. Anthony Braxton, woodwinds, Brett Larner, koto. Leo Records-CD).

CG: Tönt verheissungsvoll, Webernsche  B9-Intervalle...,  heiss! Weiss aber nicht, wer das ist. Das Sax gefällt mir sehr gut, auch vom Klang her - einer, der sehr an der Klassik des 20. Jahrhunderts interessiert ist, Webern, Wiener Schule... Der Saitenspieler wird ziemlich gefordert, - eine Art moderner, freier Jazz, der mich interessiert, nicht so ein Rumgequäke ...


MICHEL PETRUCCIANI:

LIMBO ("Power of Three - Featuring Jim Hall and Wayne Shorter",  rec. 1986. Michel Petrucciani, p, Jim Hall, g, Wayne Shorter, ts. Blue Note-CD).

CG: Henderson- und Coltrane-Einflüsse - sheets of sound… Was, der Shorter, wirklich? Wow! Sehr schön spielt er da, so eindringlich, bläst seine ganze Seele ins Instrument.


CHICK COREA & FRIENDS:  

OBLIVION* / I'LL KEEP LOVING YOU** ("Remembering Bud Powell", rec. 1997. *Chick Corea, p, Kenny Garrett, as, Wallace Roney, tp, Christian McBride, b, Roy Haynes, dr. **Chick Corea, p, Joshua Redman, ts, Christian McBride, b.  Stretch Records-CD).

CG: Das tönt nach Kenny Garrett - up tempo, brutal schnell, er kommt überhaupt nicht mit! Der Pianist klingt frisch, interessant, gefällt mir sehr. (Bei 2:) Ah, jetzt eine Ballade. Der Tenorsaxer ist wahrscheinlich ein «Young Lion»; das tönt, wie wenn er die ganze Zeit zwischen Stilen switchen würde; kompetent gespielt, wunderbar, aber nicht klar erkennbar - einer, dem ich jedoch zutraue, noch was Eigenenes zu finden.


CONTEMP ARABIC JAZZ ENSEMBLE:

MUFFATTISCH ("ContempArabic Jazz Ensemble - live in Cairo", rec. 1996. Stephan Athanas, b, comp, Fathy Salama, p, comp, Ramadan Mansour, tabla, Ayman Sedki, perc, Saleh el Artist, accord., Mohammed Abdelrahim, nay. Athanas-Privat-CD).

CG: Das ist ein Tune, das ich auch gespielt habe, war ja kürzlich mit Athanas auf Schweizer Tournee. Ist das der grossartige Nay-Spieler Mohammad Abdelrahim? Der war bei uns auch dabei. Eine gute Band, hat gut miteinander funktioniert. Würde mir Spass machen, wenn das weitergehen würde!


GRAND MOTHER'S FUNCK:

KILLER CROCODILE ("Heebie Jeebie's Dance", rec. 1996. Bean!, as, voc, Bernhard Bamert, tb, Stephan Geiser, tp, flh, Bernhard Häberlin, g, talkbox, Andreas "Chnufi" Michel, keyb, Stephan Schneider, hammond, synth, Pascal Senn, b, Daniel "Booxie" Aebi, dr, Ohlê Gagneux, perc. Honeybear Records-CD).

CG: Ich stehe sehr auf solche Groove-Musik, wenn's gut gespielt ist. Ist das der Eddie (Harris), nein? Aber heiss, heiss, - klingt «geil». Was, das soll eine Schweizer Band sein, ehrlich?  Erstaunlich, erstaunlich, sehr schön gespielt, der Saxer!

 

Christoph, danke fürs Mitmachen.




© JAZZ Nr.6/1997
© Foto: Peewee Windmüller



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