Johannes Anders
Musik - Journalist

MARIANNE RACINE

Von Johannes Anders

Marianne RacineGesangspädagogin, Workshop- und Chorleiterin an der Jazzschule Zürich, Mentorin beim CH-New-Jazz-Festival, eigene Jazzgruppen wie «rambazamba» und Marianne Racine Quartett, Präsenz auf diversen Tonträgern. Einen ihrer grössten Erfolge hatte die in Nordschweden geborene und aufgewachsene, seit 1984 in Zürich lebende Vokalistin letztes Jahr mit den Konzerten und der CD ihrer gruppe "3 voices and a tuba".


ARETHA FRANKLIN:

MISTY ("Yeah !!! In Person with her Quartet", rec. 1965. Aretha Franklin, voc, Kenny Burrell, g, Teddy Harris, p, James "Beans" Richardson, b, Hindel Butts, dr. CBS-LP).

MR: Wow, sackgut, hat was von Nancy Wilson, das Soulige, Knackige, aber etwas wilder, beherrscht die Kunst des Aufbaus, macht die gleichen Verzierungen wie die Aretha, oder ist sie es selbst?


NANCY WILSON:

BUT NOT FOR ME ("Echoes of an Era", rec. 1982. Nancy Wilson, voc, Joe Henderson, ts, Chick Corea, p, Stanley Clarke, b, Lenny White, dr. Elektra Musician-LP)

 MR: Könnte Dee Dee Bridgewater sein, hat auch etwas Wildes, macht auf Soul und Power, ist mir aber hier etwas zu theatralisch. (Nach Bekanntgabe:) Hat alle ihre Tricks ausstudiert, ist voll im Saft, knackig; live würde einen das sicher mehr mitnehmen. Bei Adderley hatte sie natürlich etwas Frisches drauf, juhee, enthusiastisch, sorglos.


RITA REYS WITH THE JAZZ MESSENGERS:

I CRIED FOR YOU ("The cool Voice  of Rita Reys», rec. 1956. Rita Reys, voc, Donald Byrd, tp, Hank Mobley, ts, Horace Silver, p, Doug Watkins, b, Art Blakey, dr. Philips-LP).

MR: Es gibt einen Haufen weisse Jazzsängerinnen, die ich nicht kenne, gefällt mir nicht so, hat zuviel Vibrato am Schluss, ist aber nicht Anita oder Peggy Lee?


ANITA O'DAY:

STELLA BY STARLIGHT («Anita sings the Most», rec. 1957. Anita O'Day, voc, Oscar Peterson, p, Ray Brown, b, Herb Ellis, g, Milt Holland, dr. Verve/Clef-LP).

MR: Das ist aber Anita; ist so heiss (singt mit), gefällt mir sehr, hat irgendetwas in der Stimme: sexy, ein bisschen vulgär..., aber ist sooo cool, ist hohe Kunst, wie sie phrasiert - wunderbar.


Marianne RacineCARMEN MC RAE:

WEEP NO MORE / PARADIDDLE JOE ("Tonight Only! - The Dave Brubeck Quartet - Guest Star Carmen McRae", rec. 1962/63. Carmen McRae, voc, Dave Brubeck, p, Eugene Wright, b, Joe Morello, dr. Paul Desmond ist bei beiden Titeln nicht dabei. Fontana-LP).  

MR: Oh, das ist aber schön, ist das eine frühe Carmen, wunderbar! Kenne sie eigentlich nur von späteren Aufnahmen. Ihre spezielle Art zu phrasieren, zu artikulieren, ist einfach einmalig; wunderschön. Sie ist so expressiv, hat viele Tricks, wirkt aber nie theatralisch, maniriert - super!


NORMA WINSTONE:

SOMEWHERE CALLED HOME ("Somewhere called Home", rec. 1986. Norma Winstone, voc, John Taylot, p, Tony Coe, cl, ts. ECM-LP).  

MR: Ist das die - wie heisst sie noch - Norma Winston mit dem Pianisten John Taylor? Er ist ein Meister! Schöne Stimme, schöne Arrangements, schönes Trio. Wunderbar, geht fast ins Klassische; hohe Musikalität, gediegenes Handwerk, alle reagieren mit riesigen Ohren, grandios!


CASSANDRA WILSON:

BLUE IN GREEN ("Point of View", rec. 1986.  Cassandra Wilson,voc, Steve Coleman, as, perc, Grachan Moncur III, tb, Jean-Paul Bourelly, g, Lonnie Plaxico, b, Mark Johnson, dr. JMT-CD).

MR: (Nach den ersten Tönen:) Cassandra! Sie hat einfach ein wunderschönes "Material" und Feeling, schöne Stimme, Phrasierung, aber irgendwann langweilt sie mich, vielleicht weil sie etwas introvertiert ist?


MILDRED ANDERSON:

CONNECTION ("Person to Person - Eddie "Lockjaw" Davis Showcases", rec. 1960. Mildred Anderson, voc, Eddie "Lockjaw" Davis, ts, Shirley Scott, org, George Duvivier, b, Arthur Edgehill, dr. Prestige/Bluesville-LP).

MR: Sehr gut, gefällt mir, super, habe gern das Bluesige, Groovige, ist simpel, sie macht fast keine Verzierungen, aber es ist so direkt, so gut, ausdrucksstark, der Text ist da, total relaxte Begleitung ...


JAY CLAYTON:

GOODBYE PORKPIE HAT («Sound - Songs», rec. 1985, Duos. Jay Clayton, voc, Jerry Granelli, dr. JMT-LP).

 MR: Das ist Jay Clayton. Ich kenne sie so gut, weil sie in Zürich mal Workshops gab. Ist eine unterschätzte Sängerin, eine Krampferin im Hintergrund. Gefällt mir sehr,  Superstimme, volle Kontrolle, klar, ohne Vibrato, kann irgendwie alles. Eine instrumental orientierte Sängerin - aber irgendwie fehlt noch das Herz, zu intellektuell.


URSZULA DUDZIAK / ADAM MAKOWICZ:

DEAR CHRISTOPHER KOMEDA ("Newborn Light", rec. 1972. Urszula Dudziak, voc, Adam Makowicz, p. Cameo-LP).

MR: Kommt aus dem Osten? Urszula Dudziak? Sehr gut, heiss, wahnsinniger  Stimmumfang, da kann man nur vor Neid erblassen. Eine gelungene Mischung von free und groove, sehr essentiell, wunderschön!


LENA WILLEMARK / ALE MÖLLER:

SAMSINGEN ("Agram", rec. 1996. Lena Willemark, voc, Ale Möller, mandola, Palle Danielsson, b, Mats Edén, drone-fiddle, Tina Johansson, perc, Jonas Knutsson, add. perc.  ECM-CD).

MR: (Nach den ersten Tönen:)  Lena  Willemark!  Wunderschön, super, singt ziemlich authentisch - Lieder mit alten Texten, Geschichten, Märchen, sehr natürlich, liegt sehr nahe der Folk-Tradition, gediegenes  Handwerk,  hat alles aus mündlicher Überlieferung von Verwandten gelernt.


ANNA CARAM:

AVIAO ("Amazonia", rec. 1990. Anna Caram, g, voc, Davis Finck, b, Portinho, dr, Leandro Braga, p, Steve Sacks, fl, as, Ted Lo, synth, Cyro Baptista, perc. Chesky-CD).  

MR: Ist das die junge Brasilianerin, die mal in Zürich auftrat und auch Gitarre spielt? JA: Ja, sie ists, ist Ana Caram; wir hörten sie in der Mühle Tiefenbrunnen und in der Begleitgruppe spielte damals der bei uns bestbekannte brasilianische Altsaxer Rodrigo Botter Maio. MR: Sie hatte mich sehr beeindruckt, reif, rhythmisch sauber. Warum hört man nichts mehr von ihr?


ANTHONY BRAXTON & LAUREN NEWTON:

COMPOSTION 192 ("Composition 192 - for two musicians & constructed environment", Auszug, rec. 1996. Anthony Braxton, reeds, Lauren Newton, voc. Leo Records-CD).

MR: Lauren Newton ? JA: Ja, im 62 Minuten langen Live-Duo mit Anthony Braxton. MR: Sie ist technisch und musikalisch ganz grosse Klasse, mutig, es gefällt mir aber nicht alles, keine Platte, die ich mir kaufen würde, lieber erlebe ich das live.


NIELS-HENNING ØRSTED PEDERSEN & MONIKA ZETTERLUND:

TAKING A CHANCE ON LOVE ("NHØP - This is all I ask", rec. 1997. Niels-Henning Ørsted Pedersen, b, Ulf Wakenius, g, Jonas Johanssen, dr. Special guests: MONIKA ZETTERLUND, voc, Phil Woods, as. Verve-CD).

MR: Das ist Monica! - ist so natürlich, so sensuell, erzählt richtig, wird nie langweilig; ist nicht direkt mein Vorbild aber grosse Klasse. Ist auch eine sehr gute Schauspielerin, Komödiantin - Filme, Fernsehen, politisches Kabarett, Sackgut, die han i gärn! 

 

Herzlichen Dank, Marianne, für Deinen Besuch.            




 

© JAZZ Nr.5/1998
Fotos: zVg



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