Johannes Anders
Musik - Journalist

"Brasileirinho", ein Film von Mika Kaurismäki

 Film Brasilerinho

Bis heute gilt der Choro als die Königsdisziplin unter den brasilianischen Musikern. Villa-Lobos' Choro-Etüden, Baden Powells Interpretationen und die revolutionären Arbeiten von Pixinguinha stellen das unter Beweis. Der Choro lebt aber auch in den Arbeitervierteln Rios und bei ihm gibt es weder Schwarz noch Weiss, weder Nordzone noch Südzone, Tijuca oder Copacabana. In seiner wunderbaren Musik-Dokumentation zeigt Mika Kaurismäki die Geschichte und die Vitalität des Choro, der ersten unverfälschten brasilianischen "urban music". Kein Land kann mit Musik derart begeistern wie Brasilien. Gleichzeitig ist das Image dieser Musik so klischiert, dass es kaum möglich scheint, diese filmisch zu unterlaufen. Dieses Kunststück gelingt Mika Kaurismäki in "Brasileirinho". Choro spielte eine bedeutende Rolle für die kulturelle Identität Brasiliens und blieb bis in die 1920er Jahre ein populärer Musikstil, aus dem sich der Samba und später der Bossa Nova entwickelte. Choro ist das portugiesische Wort für Klage; die häufig melancholischen Melodien wären eine Erklärung dafür. Als eine Art Urahn des Wortes könnte auch "Xolo" gelten, der Name für einen afrikanischen Tanz. Heute ist der Choro die letzte authentische Latino-Musik, die noch ihrer internationalen Verbreitung harrt. Der Film erinnert an die Geschichte des Choro und verweist auf seine ungebrochene Vitalität. Im Mittelpunkt steht das Trio "Madeira Brasil" (Marcello Gonçalves, siebensaitige Gitarre, Zé Paulo Becker, Gitarre, und Ronaldo Souza, Mandoline). Der Besuch bei einem Choro-Workshop mit mehr als 450 Teilnehmern aller Altersstufen illustriert die völlig ungezwungene brasilianische Art, auf hohem Niveau Musik zu machen. Interviews mit bekannten Samba- und Bossa-Nova-Musikern wie Zezé Gonzaga, Elza Soares und Guinga veranschaulichen den Einfluss, den Samba, Bossa Nova und Choro wechselseitig aufeinander ausüben. Während einer 'Roda de Choro', einer Art brasilianischer Jam Session, entwickeln die drei die Idee zu einem Konzert. Die Ausschnitte des Konzerts, das das Trio "Madeira Brasil" mit Gästen in einem der traditionellen Musiktheater von Rio gab, belegen den Reichtum an Rhythmen und Melodien, die den Choro zu einem höchst originellen Musikstil machten, in dem neben Improvisation gelegentlich auch Jazzeinflüsse eine Rolle spielen.

 



Auch von diesem Film ist übrigens eine Orginal Soundtrack-CD erschienen, die alle 19 Titel in voller Länge enthält: "Brasileirinho – Choro in Rio", Tropical Music 68.853 / Musikvertrieb).

 


Produktion Schweiz - Finnland - Brasilien 2005.
Filmdauer: 90 Minuten. 35 mm, Farbe, 1:1.78. Portug. / UT deutsch.
CH-Kinostart: Ende Juli


© Bilder: Marco Forster Productions


                   



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