Johannes Anders
Musik - Journalist

Wem gehört das Wasser?

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Dieses aufsehenerregende Buch liest sich trotz der Fülle der Fakten, der präzisen Situationsanalysen, der schonungslosen Aufdeckung ökologischer, politischer und gesellschaftlicher Zusammenhänge nicht wie ein trockenes Sachbuch oder eine erschlagende wissenschaftliche Enzyklopädie, sondern partienweise wie ein spannender Tatsachenthriller mit realistischem Hintergrund und seriös dokumentierten Recherchen, die einem unter die Haut gehen und keinen kalt lassen. Es ist ein Kompendium, das einerseits bewusst macht, in welchem Wasser-Luxus wir leben und andererseits vor Augen führt, wie gedankenlos, brutal und menschenverachtend wir in der westlichen Welt darüber hinwegsehen, dass in vielen einkommensschwachen und armen Staaten und Regionen der Welt das Fehlen von sauberem Wasser und sanitären Einrichtungen jedes Jahr Millionen von Toten verursacht, wie im kürzlich veröffentlichten Jahresbericht 2006 des UNO-Entwicklungsprogramms UNDP zu lesen ist (z.B. SF, DRS2 aktuell oder Tages-Anzeiger vom 10.11.2006). Hier heisst es weiter, dass "rund 1,1 Milliarden Menschen buchstäblich auf dem Trockenen sitzen und 2,6 Milliarden Menschen keinen Zugang zu Sanitärversorgung haben (…). Als "grausame Ironie" bezeichnet das UNDP die hohen Kosten für das Wasser: "Wasser kostet diejenigen am meisten, die es sich am wenigsten leisten können. So zahlen Einwohner von Elendsquartieren grosser Städte wie etwa Nairobi fünf- bis zehnmal mehr für einen Liter Wasser, als die Reichen der gleichen Stadt". Hier ist also bereits Realität geworden, was Nestlé-CEO Peter Brabeck in einem Interview für den Film "We feed the world" (siehe "Johannes' Tipps" weiter unten) zynisch postulierte: "Wasser ist ein Lebensmittel; so wie jedes andere Lebensmittel sollte das einen Marktwert haben". Und so ist im Geschäft mit dem Flaschen- oder Tafelwasser, womit nicht Mineralwasser gemeint ist, Nestlé inzwischen weltweit Marktführerin, deren "Umsatz mit Wasser im letzten Jahr 8.8 Milliarden Franken betrug" (WoZ vom 2.11.2006). Die immer aktueller werdende Kernfrage lautet also: Darf Wasser wirklich eine handelbare Ware sein, mit der man Geschäfte und Profite machen kann oder ist seine freie Verfügbarkeit ein Menschenrecht, das wieder hergestellt und verteidigt werden sollte? Das Buch "Wem gehört das Wasser?" geht diesem vielschichtigen Thema kompetent, engagiert und erhellend und deshalb einem nahegehend auf den Grund, sodass das Fazit nur lauten kann: Wasser kann eigentlich niemandem gehören, sondern es untersteht der Verantwortung und Wertschätzung der gesamten Menschheit. ja

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Der Nahostkonflikt ist auch ein Wasserkrieg 
(Ausschnitte aus dem gleichnamigen Kapitel / Seite 480)

"Nirgendwo sonst in der Welt zeigt sich die Komplexität von Wasserkriegen dramatischer als im so genannten Nahost-Konflikt, wo politische, ideologische, strategische, aber auch finanzielle und technische Probleme untrennbar ineinander verwoben und verknäuelt sind. Hier ist das Wasserproblem alles zugleich, Ursache und Folge, Zweck und Mittel, Ziel und Waffe, Forderung und Druckmittel. Zwar wird dieser mittlerweile über fünfzigjährige Krieg von der Weltöffentlichkeit vorwiegend als politischer Konflikt wahrgenommen, in dem es vor allem um die Existenzberechtigung von Israel, um einen palästinensischen Staat, um das Rückkehrrecht der zwei Millionen vertriebenen Palästinenser und um die strategisch-militärische Vorherrschaft in einer der explosivsten Zonen zwischen Ost und West geht. Aber ebenso sehr ist der Nahost-Konflikt auch ein Wasserkrieg" (… in dem es Stärkere und Schwächere gibt; zu letzteren zählt bekanntlich in dramatischer Weise die palästinensische Bevölkerung in den besetzten Gebieten - ja). "Nach dem Sechstagekrieg", liest man im weiteren, "sicherte sich Israel im Westjordanland neben dem Jordan alle Grundwasserquellen des künftigen palästinensischen Staates. "Sie wurden umgehend, gegen die Regeln der Genfer Konvention und ungeachtet aller möglichen Friedensabkommen, zu unveräusserlichem israelischen Staatseigentum erklärt".

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Alle Texte in diesem Buch, ausgenommen die Beiträge auf den Seiten 363-407 und 414-419, stammen von Christian Rentsch, Journalist, Kulturkritiker, Publizist und früherer Redakteur und Ressortleiter der Kultur- und Medienredaktion des Zürcher Tages-Anzeigers. Verleger ist der renommierte Lars Müller, der schon mit anderen Editionen über Architektur, Fotografie, Kunst und Design eindrücklich unter Beweis stellte, dass ein Buch mehr sein kann, als ein Buch, nämlich ein Objekt, bei dem ergänzend zum Text nicht nur die bildlichen Elemente im Innern eine gravierende Rolle spielen, sondern auch das Gewicht und die äussere Gestaltung, wobei hier mit dem konsequenten Verzicht auf jegliche illustrativen Cover-Ausschmückungen zugunsten des reinen Buchtitels der interessierte Leser nachhaltig zu Entdeckungsreisen ins Innere des Buches animiert wird. ja

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1 - Irak, Bagdad 2003: Kostbares Trinkwasser
2 - Bangladesch, Dhaka 2006: Armee verteilt Trinkwasser
3 - Indien 2000: Frauen transportieren wertvolles Wasser
4 - Ostchina, Dongxiang: Abfälle und giftige Abwässer einer Papierfabrik 
5 - Kasachstan, Aralsee:  Innerhalb vierzig Jahren wegen übermässiger und unsachgemässer Wasserentnahme aus den Zuflüssen drei Viertel des Wasservolumens verloren. Der Rest ist mit Düngemitteln, Industrieabwässern und Perstiziden verseucht und biologisch tot
6 - USA Kornkammer Mittlerer Westen: Farmer pumpen mehr Grundwasser ab, als der Regen nachliefert, Ergebnis: Fortschreitende Steppenbildung. 
7 - China, nahe der Achtmillionenstadt Chongqing: Abwasserfahne einer Papierfabrik
8 -  Irak 2003: UNICEF-Trinkwasserlieferung
9 - Philippinen 2002: Wegen Übernutzung hat monatelange Dürre die Ernte vernichtet

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"Wem gehört das Wasser", herausgegeben von Klaus Lanz, Lars Müller, Christian Rentsch und René Schwarzenbach - mit Unterstützung der EAWAG (Eidgenössische Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz - Wasserforschungs-Institut des ETH-Bereichs). Lars Müller Publishers, Baden, September 2006, gebunden, zahlreiche Abbildungen, 535 Seiten, CHF 69.90
(ISBN-10: 3-03778-015-0).
www.lars-mueller-publishers

 



Alle Textausschnitte und Bilder: © Lars Müller Publishers 






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